Alissa Walser: „Spar dir die Schmach und mir das Mißgeschick: Dein Herz ist frei, doch zähme deinen Blick“
Ein Bild durchdringend zu erfassen, verlangt Disziplin. Ein geschulter Blick ist kein Zufall – er wird erarbeitet, gestützt auf Vernunft und Erkenntnis. Während Auge und Verstand um Verstehen ringen, darf das Herz offenbleiben. In Alissa Walsers Leben wie in ihrem Werk spiegelt sich ihre tiefe Leidenschaft für Literatur und Malerei.
Der Ausstellungstitel – die letzten Zeilen aus Shakespeares Sonett CXL – verweist darauf mit feiner Geste. Ihre Malerei ist abstrahiert, getragen von einer nüchternen Klarheit. Deutliche Pinselzüge und fassbare Formen stehen im Kontrast zu vielschichtigen Strukturen und schwingenden Ebenen. Dennoch entziehen sich ihre Arbeiten eindeutiger Lesbarkeit – sie fordern aufmerksames Sehen, laden zum Innehalten, zum Fragen, zum Fühlen ein.