Kunstwerk des Monats
Force V
In der aktuellen Herbstausstellung zeigen wir noch bis zum 25. November 2022 Hanneline Visnes‘ 19-teilige Arbeit „Force“, die zwischen 2018 und 2021 entstanden ist. Die Blätter – es sind Gouachen und Aquarelle – ziehen sich dicht an dicht über die Galeriewand und bilden so einen Fries. Sie zeigen Personen im Gespräch, in Gedanken vertieft oder in nicht alltäglichen Gesten verhaftet. Sie nehmen aufeinander Bezug, ja sie nehmen sogar Körper- und Handhaltungen der anderen auf. Vergleichbar mit antiken Friesen werden die Blätter mit diesen erzählenden Teilen von ornamentalen Elementen unterbrochen. Es sind Malereien von Blättern und Blüten in unterschiedlichen Abstraktionsgraden, die den Fries mit rhythmischer Energie aufladen. Den Titel hat Hanneline Visnes aus einem Zitat von Dorothy Carleton Smyth übernommen, die 1933 – übrigens als erste Frau überhaupt an einer europäischen Kunsthochschule – Direktorin der Glasgow School of Art wurde, der Schule, an der Hanneline Visnes als Malerin und Grafikerin seit 2005 unterrichtet. Es ist eine Hommage an eine dem Körper innewohnende lebendige Kraft, die sensibel mit Hand und Gehirn erspürt wird. Sie spiegelt sich in dem Fries als eine Kultur und Natur umfassende Reflektion über das, was Kunst, Bildung und Gespräch zwischen den Generationen, individuell oder in der Gemeinschaft, vermag. Unter den Blättern des Frieses fällt diese junge Dame etwas aus dem Rahmen. Es ist das kleinste Blatt des Frieses „Force“ von Hanneline Visnes und gleichzeitig auch das einzige Cutout. Die ausgeschnittene Form des Randes scheint auf die Umrisse der Figur und den Mantel zu reagieren. Bogenförmige Streifen bilden eine charmante Begrenzung zur Wand, auf die sie zuläuft. Der Ärmel und die Tasche ihres Mantels scheinen wie geritzt, doch sie sind gemalt. Für die Arbeit an dem Fries hat sich Hanneline Visnes Arbeiten von Dorothy Carleton Smyth angesehen und hat sich besonders mit deren Kostümentwürfe beschäftigt. Auch diese Figur ist mit vereinfachenden, ornamental angelegten Flächen und der Betonung des roten Mantels grafisch angelegt und könnte wie auch einige andere Figuren des Frieses aus einem Comic oder einer Modeskizze stammen. Der ausholende Schritt bringt sie vorwärts, die Armbewegung und die Haare geben ihr etwas Schwingendes. Hanneline Visnes malt eine lebendige, vielleicht etwas verträumte junge Frau, die mit ihrem auffälligen Pferdeschwanz und dem roten Mantel unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. So setzt sie einen besonderen Akzent in dem abwechslungsreichen und kraftvollen Fries. Hanneline Visnes – Force V, 2021, Tusche, Aquarell / Papier, 57 x 77 cm